AP 1.3 – Einsatzplan-Optimierung
Zielsetzung
Aufgrund der regelmäßigen Neubildung der Wirkleistungsverbünde verbietet sich für deren Einsatzplanung, d.h. der optimierten Zuordnung von Fahrplänen zu den Anlagen, die Erstellung eines statischen, monolithischen Optimierungsmodells mit integrierten, mathematischen Beschreibungen der Anlagenflexibilitäten. Vielmehr muss es das Ziel sein, ein Anlagenmodell zu entwickeln, das eine Gleichbehandlung unterschiedlichster Anlagentypen und Constraints ermöglicht und welches sich automatisiert mit Modellen anderer Anlagen integrieren lässt ohne Kenntnis von der zugrundeliegenden mathematischen Modellierung zu benötigen. Es muss also eine Möglichkeit gefunden werden, die Flexibilitäten der einzelnen Anlagen (einschließlich der individuellen Kosten für Fahrplananpassungen) so zu modellieren, dass eine anlagenunabhängige Beschreibung entsteht aus der im Rahmen der Wirkleistungsplanung realisierbare Fahrpläne als Lösungskandidaten der Optimierung automatisch hergeleitet werden können. Wenn dies gelingt, kann für die eigentliche Optimierung auf Standardverfahren ohne eigene Constraintbehandlung zurückgegriffen werden.
Methodik
Es wird ein Ansatz entwickelt, den unbeschränkten Suchraum des Optimierungsverfahrens für eine Anlage (die Menge aller theoretisch denkbaren Fahrpläne) mithilfe eines Klassifikatormodells so auf den beschränkten Teilraum der gültigen Lösungen (die aus dem aktuellen Betriebszustand durch die Anlage realisierbaren Fahrpläne) abzubilden, dass die Planung vollständig in dem unbeschränkten Suchraum durchgeführt werden kann. Beispielfahrpläne dienen hierbei als Muster für die Anlagenflexibilität. Wichtigstes Merkmal des verwendeten Suchraummodells ist die Fähigkeit, hieraus vollautomatisiert einen so genannten Dekoder herleiten zu können, der einen ungültigen Fahrplan im Suchraum so verschiebt, dass er zu einem gültigen Fahrplan wird. Folgende Teilschritte werden hierzu in diesem Arbeitspaket angegangen:
- Einheitensimulation: Um die Flexibilität einer Einheit abschätzen zu können, wird initial ein mathematisches Modell der Einheit benötigt. Dieses kann je nach Anlage individuell implementiert sein, da lediglich ein minimales Interface vorgeben werden muss, mit dem gegebene Fahrpläne auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft werden können.
- Beispielfahrpläne: Mit Hilfe des Einheitensimulationsmodells kann mit geeigneten Samplingverfahren eine Menge an realisierbaren Fahrplänen generiert werden. Suchraummodell Liegt erst einmal eine Trainingsmenge mit realisierbaren Fahrplänen vor, so kann hieraus mit geeigneten Klassifikatoren ein Modell gelernt werden, welches von konkreten mathematischen Einheitenmodellen, insbesondere aber von jedweder mathematischer Constraintbeschreibung abstrahiert und den Unterraum der realisierbaren Fahrpläne beschreibt. Hierzu kommt eine Klassifikation mit sogenannten Support Vector Machines zum Einsatz.
- Dekoder: Liegt ein Suchraummodell vor, welches ein geometrisches Modell des Unterraums mit den realisierbaren Fahrplänen enthält, so kann hieraus eine Vorschrift abgeleitet werden, den Raum aller Fahrpläne auf diesen Unterraum abzubilden. Eine solche Abbildungsvorschrift schafft sodann ein Mittel, systematisch Fahrpläne zu generieren, die von der jeweiligen Anlage auch realisiert werden können. Eine Kenntnis des mathematischen Anlagenmodells ist hierfür nicht mehr erforderlich.
- Optimierung: Mit Hilfe des Dekoders wird es schließlich möglich, die Optimierung bei der Aufteilung der Fahrpläne mit beliebigen Verfahren vorzunehmen; auch ohne integrierte Constraintbehandlung.
Ergebnisse
Wichtigstes Ergebnis dieses Arbeitspaketes ist die prototypische Implementierung sämtlicher Teile der Prozesskette. Alle Teilaspekte sind in Eigenimplementierung umgesetzt und wurden bereits mit einer Vielzahl verschiedener Planungsalgorithmen integriert und getestet. Suchraummodellierung und Dekoder kommen in Smart Nord an mehreren Stellen des übergeordneten Gesamtablaufs zum Einsatz. Neben der initialen Einsatzplanung beispielsweise bei der Generierung des Produktportfolios für die Verbundbildung (AP 1.2) oder während der kontinuierlichen Planung (AP 1.4). Mit den Ergebnissen dieses Arbeitspaketes ist es nunmehr möglich, auf die individuelle mathematische Modellierung von Anlagen bei der Integration in ein Optimierungsmodell zu verzichten, um Verbünde ad-hoc zu planen. Hierdurch wird es möglich, auch das Optimierungsmodell dynamisch und automatisiert zu erstellen.
Publikationen
- Bremer, J., Sonnenschein, M., 2014: Constraint-Handling with Support Vector Decoders. In: Filipe, J., Fred, A.L.N.(Hrgs.) Communications in Computer and Information Science, Springer. (in press)
- Bremer, J., Sonnenschein, M.: Automatic Reconstruction of Performance Indicators from Support Vector based Search Space Models in Distributed Real Power Planning Scenarios. In: Matthias Horbach (Hrsg.): Lecture Notes in Informatics 220, Proceedings of the Informatik 2013 - Informatik angepasst an Mensch, Organisation und Umwelt. 16.-20. September 2013, Koblenz, Germany. Bonner Köllen Verlag.
- Jörg Bremer, Michael Sonnenschein: Constraint-Handling for Optimization with Support Vector Surrogate Models: A Novel Decoder Approach. ICAART13. Barcelona, 2013. [pdf]
- Bremer, J., Sonnenschein, M.: Estimating Shapley Values for Fair Profit Distribution in Power Planning Smart Grid Coalitions. In: Klusch, M., Thimm, M., Paprzycki, M. (Hrgs.) Multiagent System Technologies - Proceedings of the MATES 2013. 16.-20. September 2013, Koblenz, Germany. Springer, LNCS 8076.
- Jörg Bremer, Michael Sonnenschein: Kommunikation von Umweltkennzahlen im Smart Grid und deren Integration in die verteilte Wirkleistungsplanung. In: Marx Gómez, J., Lang, C., Wohlgemuth, V. (Hrsg.): IT-gestütztes Ressourcen- und Energiemanagement. Konferenzband zu den 5. BUIS-Tagen, Oldenburg, 24-26 April 2013. Springer, S. 35-47
- Bremer, J., Sonnenschein, M.: Model-based Integration of Constrained Search Spaces into Distributed Planning of Active Power Provision. Computer Science and Information Systems, Vol. 10, No. 4, 1823-1854. (2013)
- Jörg Bremer, Michael Sonnenschein: Sampling the Search Space of Energy Resources for Self-organized, Agent-based Planning of Active Power Provision. EnviroInfo. Hamburg, September 2013. [pdf]
- Christian Hinrichs, Jörg Bremer, Michael Sonnenschein: Distributed Hybrid Constraint Handling in Large Scale Virtual Power Plants. IEEE ISGT Europe 2013, Kopenhagen (Dänemark). [pdf]
Ansprechpartner
- Prof. Dr. Michael Sonnenschein, Universität Oldenburg
- sonnenschein@spaminformatik.uni-oldenburg.de
- Dipl.-Inform. Jörg Bremer, Universität Oldenburg
- joerg.bremer@spaminformatik.uni-oldenburg.de