AP 1.2 – Wirkleistungs-Verbundbildung
Zielsetzung
Vor dem Hintergrund der vermehrten Integration von dezentralen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern in das heutige Versorgungssystem wird im Rahmen des Arbeitspakets 1.2 ein Selbstorganisations-Mechanismus für das Pooling entsprechender Einheiten entwickelt, im Rahmen dessen intelligente Agenten day-ahead Verbünde für eine gemeinsame Erfüllung von Elektrizitätsprodukten am Folgetag bilden. Im Gegensatz zu existierenden Konzepten wie Virtuellen Kraftwerken erfolgt die Verbundbildung hierbei dynamisch sowie in dezentraler Art und Weise, um der netztopologischen Verteilung der Einheiten Rechnung zu tragen. Als weitere Vorteile ergeben sich eine erhöhte Adaptivität im Hinblick auf kurzfristige Änderungen der Marktbedingungen sowie eine erhöhte Skalierbarkeit bzgl. der Anzahl teilnehmender Akteure. Durch die Berücksichtigung netztopologischer Aspekte im Rahmen des Formationsprozesses wird weiterhin dem aktuellen Trend hin zu einem lokal-integrierten Design von Elektrizitätsmärkten Rechnung getragen, welches eine knotenscharfe Bildung von Marktpreisen zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen ermöglicht.
Methodik
Der Mechanismus zur Verbundbildung von elektrotechnischen Einheiten ist als dezentraler, agentenbasierter Ansatz konzipiert, im Rahmen dessen jeder Teilnehmer pro Planungszyklus die folgenden vier Subprozesse durchläuft (s. Abb. 1):
Produktportfolio-Generierung: In einem ersten Schritt erstellt jeder teilnehmende Agent des Systems ein individuelles Produktportfolio, welches sämtliche Wirkleistungsprodukte umfasst, für die eine Verbundbildung mit anderen Teilnehmern angestrebt werden soll. Die Entscheidungsfindung basiert dabei auf Preisprognosen für alle potenziell handelbaren Produkte des Folgetags sowie der Menge aller möglichen Fahrpläne, die von der zugrunde liegenden Anlage des Agenten potenziell am nächsten Tag erfüllt werden kann.
Nachbarschaftsformation: Um vor dem Hintergrund einer sehr hohen Anzahl von Marktteilnehmern Kommunikations- und Berechnungskosten während der Verbundbildung auf ein handhabbares Maß zu reduzieren, bilden die Agenten in einem zweiten Schritt Nachbarschaften aus, welche die Ausgangsmenge aller Teilnehmer in Submengen potenzieller Kooperationspartner für eine Verbundbildung partitioniert. Die Integration netztopologischer Informationen in den Formationsprozess erlaubt dabei eine gezielte Restriktion von Nachbarschaften auf bestimmte Netzabschnitte und damit eine Bereitstellung lokalbezogener Produkte während der Verbundbildung.
Verbundbildung: Durch koordinierte Verhandlungen unter den Agenten erfolgt im Rahmen des dritten Subprozesses eine Verbundbildung innerhalb der im vorhergehenden Schritt gebildeten Nachbarschaften, mit dem Ziel einer gemeinsamen Bereitstellung von Wirkleistungsprodukten am Folgetag. Ist innerhalb einer Nachbarschaft keine Verbundbildung hinsichtlich eines angestrebten Produktes möglich, wird diese nach Möglichkeit iterativ erweitert oder – bei Erreichen einer maximalen Nachbarschaftsgröße – das individuelle Produktportfolio neu bestimmt, um so mit einer neuen Produktauswahl den Prozess der Nachbarschaftsformation und Verbundbildung neu anzustoßen.
Mehrwertverteilung: Nach Annahme des Gebots am Markt wird in einem letzten Schritt der durch das entsprechende Produkt erzielte Mehrwert unter den Teilnehmern eines Verbundes verteilt. Hierbei erfolgt die Verteilung durch Anwendung spieltheoretischer Konzepte, um dem Kriterium der Fairness gerecht zu werden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse des Arbeitspakets 1.2 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Entwurf eines Selbstorganisations-Mechanismus für das Pooling elektrotechnischer Einheiten, d.h. insbesondere Konzepte zur Umsetzung der vier oben beschriebenen Subprozesse Produktportfolio-Generierung, Nachbarschaftsformation, Verbundbildung und Mehrwertverteilung.
- Prototypische Implementierung des Gesamtkonzepts als agentenbasiertes System mit Anbindung an die Smart Grid-Simulationsplattform mosaik [LINK].
- Integrierte, arbeitspaketübergreifende Simulationsstudie, welche den Ansatz insbesondere hinsichtlich der Kriterien globale Performanz, Adaptivität hinsichtlich der Änderung externer Bedingungen sowie Skalierbarkeit bzgl. Kommunikations- und Berechnungskosten evaluiert. Die Studie soll insbesondere erste Erkenntnisse hinsichtlich einer praktischen Anwendung des entwickelten Ansatzes liefern, um die Grundlage für eine weiterführende praktische Evaluation im Feld zu schaffen.
Publikationen
- Beer, Sebastian; Appelrath, Hans-Jürgen: A Formal Model for Agent-Based Coalition Formation in Electricity Markets, 4th IEEE PES Innovative Smart Grid Technologies Europe (ISGT Europe) 2013
Ansprechpartner
- Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jürgen Appelrath
- appelrath@spamoffis.de
- Dipl.-Inform. Sebastian Beer
- beer@spamoffis.de