AP 5.1 – Systemtheorie für umrichterdominierte Netze

Zielsetzung

Ziel des Arbeitspakets sind verallgemeinerte, modular aufgebaute Modellierungsmethodiken (siehe Abbildung 1) für Verteilnetze und insbesondere MicroGrids, welche sowohl im Verbund- als auch im Inselnetzbetrieb arbeiten können, und mit denen es möglich ist, Stabilitätsaussagen bezüglich Netzfrequenz und –spannung unter dem Einfluss stochastischer Einspeisung zu treffen. Die Betrachtung ist dabei auf Niederspannungsnetze mit großem Anteil an Einspeisung über Wechselrichter fokussiert. Untersucht werden kleine Zeitbereiche von Millisekunden bis Sekunden sowohl durch systemtheoretische, analytische Ansätze als auch durch simulationsbasierte Methoden. Aufsetzend auf diesen Modellen werden Regel- und Optimierungsverfahren erprobt und weiterentwickelt, die einen stabilen Netzbetrieb ermöglichen und die stochastischen Auswirkungen der Lasten und Erzeuger minimieren. Zudem wird die Robustheit verschiedener Netzstrukturen gegenüber Topologieänderungen durch simulationsbasierte Methoden bewertet, um Aussagen über vorteilhafte Netzentwürfe zu treffen.

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Abbildung 2: Ansatz zur modularen Modellierung des MicroGrid (VISMA = Virtuelle Synchronmaschine, ein am IEE/EFZN entwickeltes Regelungskonzept für Wechselrichter)

Methodik

Für die numerischen Analysen der MicroGrids werden unter anderem Fortsetzungsverfahren, auch Homotopieverfahren genannt, eingesetzt. Mit Hilfe dieser Methoden können nichtlineare Gleichungssysteme in Abhängigkeit eines Parameters gelöst werden. Dies geschieht durch sogenannte Prädiktor-Korrektor-Verfahren (siehe Abbildung 2). Diese Methoden werden mit der folgenden klassischen Vorgehensweise für Stabilitätsaussagen genutzt.

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Abbildung 2: Beispielhafte Darstellung eines Prädiktor-Korrektor Verfahrens zum Lösen einer nichtlinearen Gleichung 0=g(x1) in Abhängigkeit des Parameters λ

Um Aussagen über besonders vorteilhafte Netzentwürfe treffen zu können, wird die Veränderung der Eigenschaften der Netze gegenüber Topologieänderungen untersucht. Ziel sind besonders robuste Netzstrukturen. Dies geschieht, indem verschiedene Netzstrukturen durch sukzessives Entfernen von Kanten verändert werden. Die sich neu einstellenden Leistungsflüsse werden analysiert. Als Maß für die Bewertung der Robustheit dient die Belastung der maximal beanspruchten Kanten.

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Abbildung 3: Veranschaulichung des Vorgehens zur Untersuchung von Robustheit gegenüber Topologieänderungen

Ergebnisse (Auswahl)

Untersuchung des dynamischen Verhaltens der virtuellen Synchronmaschine (VISMA)

Die Virtuelle Synchronmaschine (VISMA) ist eine am Institut für Elektrische Informationstechnik der Technischen Universität Clausthal entwickelte Wechselrichterregelung mit integriertem Speicher. Sie imitiert das Verhalten einer Synchronmaschine, indem durch ein entsprechend implementiertes Maschinenmodell ein Sollstrom berechnet und dieser über einen Phasenstromregler eingeprägt wird. Die rotierende Masse der realen Synchronmaschine wird dabei über das Modell nachgebildet und die benötigte Energie über die angeschlossenen Speichermodule bereitgestellt. Im Rahmen des Projektes wurde die VISMA weiterentwickelt und ihre dynamischen Eigenschaften wurden detailliert simuliert und in AP 5.3 validiert. Die VISMA ist unter anderem in der Lage ein Inselnetz aufzubauen. Durch die frei einstellbaren Parameter können verschiedene Startvarianten genutzt werden. Abbildung 4 zeigt Simulationsergebnisse für zwei Fälle eines Schwarzstarts. Die linke Abbildung zeigt den Spannungsverlauf am Netzverknüpfungspunkt der VISMA bei unmittelbarer Aufschaltung. Die gewünschten Spannungsverläufe stellen sich schnell ein, jedoch ist dabei ein leichtes Überschwingen zu erkennen. Die rechte Abbildung zeigt den langsamen („sanften“) Aufbau der Spannung durch das Hochfahren der virtuellen Erregerspannung der VISMA entlang eines linear ansteigenden Sollwertverlaufs. Innerhalb von 0,1 Sekunden wird das Netz ohne Überschwingen der Spannungen aufgebaut.

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Abbildung 4: Spannungsverläufe am Netzverknüpfungspunkt der VISMA beim Aufbau eines Inselnetzes (Schwarzstart). Oben: Direktes Aufschalten der VISMA. Unten: Hochfahren der virtuellen Erregerspannung der VISMA entlang eines linearen Sollwertverlaufs.

Systemanalyse mit Hilfe von Fortsetzungsverfahren

Als Beispiel für die Analyse von MicroGrids mit Hilfe von Fortsetzungsverfahren wurde die in Abbildung 5 zu sehende Anordnung gewählt. Sie besteht aus zwei VISMA-Systemen, die über eine Statik (1 kW/Hz) eine variable ohmsche Last versorgen. Als Fortsetzungsparameter wurde die ohmsche Last gewählt.

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Abbildung 5: Mit Fortsetzungsmethoden analysierte Anordnung. Die Last dient als Fortsetzungsparameter.

Die in Abbildung 6 zu sehenden Verläufe zeigen die Lastspannung (links) in Abhängigkeit von der Last und den Strom der VISMA 1 (rechts) in Abhängigkeit von der Last. Zur Verifikation wurden in Zusammenarbeit mit TP 5.3 einzelne Betriebspunkte gemessen, die in der Abbildung durch ein rotes Kreuz gekennzeichnet sind. Die Messungen zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den berechneten Kurven.

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Abbildung 6: Links: Abhängigkeit der Lastspannung von der Last. Rechts: Abhängigkeit des Laststroms von der Last

Optimierung der Regelungsparameter einer VISMA

Zielgröße dabei ist ein im Vorfeld designierter Standardverlauf der Systemausgänge. Die Optimierung erfolgte durch den Downhill-Simplex-Algorithmus als erster Schritt auf dem Weg zur Optimierung der Parameter eines kompletten MicroGrids. Das hier gezeigte Optimierungsverfahren lässt sich problemlos auf andere Anlagentypen wie z.B. Wechselrichter anwenden, vorausgesetzt diese haben frei wählbare Parameter. Außerdem lassen sich so die Parameter mehrerer zusammengeschalteter Anlagen, im besten Fall eines kompletten MicroGrids, optimieren. Übersteigt die Anzahl der Anlagen einen gewissen Wert, kann der DSX nur noch lokale Minima finden und komplexere Optimierungsverfahren aus der statistischen Physik (z.B. „Parallel Tempering“) müssten zur Anwendung kommen. Zusätzlich erschwert wird das Bestimmen eines Optimums durch Hinzunahme von stochastischer Einspeisung durch Windkraft- oder Photovoltaikanlagen. Die Ergebnisse wurden im Demonstrator aus AP 5.3 durch Messungen validiert. Abbildung 7 zeigt den Vergleich zwischen Messungs- und Simulationsergebnis des Betriebs einer Virtuellen Synchronmaschine am starren Netz, die nach 3 Sekunden 2,5 kW in das Netz einspeisen soll. In dem rechten Bild sind die Einspeiseleisungen zu erkennen, wobei die gestrichelte Größe der gewünschte Zeitverlauf ist, der im Gütefunktional als Zielfunktion formuliert war. Das linke Bild zeigt den resultierenden Verlauf der virtuellen Drehzahl der VISMA. Es ist eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Messung und Simulation zu erkennen. Die bestehende Abweichung der Leistungsverläufe resultiert zum großen Teil aus der Messungenauigkeit des Messwandlers von 1% (bei 50 A), was einem maximalen Fehler von etwa 345 W entspricht. Die Ursache für die Abweichung der Frequenz ist, das zum Zeitpunkt der Versuche die aktuelle Netzfrequenz bei 50,01 Hz lag.

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Abbildung 7: Vergleich zwischen Messungs- und Simulationsergebnis nach Optimierung der Parameter einer Virtuellen Synchronmaschine auf ein vorgegebenes dynamisches Verhalten nach einem Erzeugungssprung.

Publikationen

Vorträge

Ansprechpartner

Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Beck
beck@iee.tu-clausthal.de
Prof. Dr.-Ing. Christian Bohn
sekretar@iei.tu-clausthal.de
Prof. Dr. Alexander K. Hartmann
a.hartmann@uni-oldenburg.de